Wie machen die anderen das?

ein wertvoller Entlastungs-Impuls

Von ungesehenen Wäschebergen...

Manchmal frage ich mich, ob es sie auch bei anderen Müttern gibt: die Zimmer mit den Körben, die voll sind mit Wäsche (sauber zwar, aber niemand hat sie glatt gezogen, zusammen gelegt oder in die Schränke geräumt...)

Ob sie auch diese unaufgeräumten Wohnungen haben, in denen man bereits an der Garderobe am Eingang das Gefühl hat, die doppelte Anzahl an Kindern zu beherbergen.

Ob sie die kennen: die Räume, von denen sie es früher nicht für möglich gehalten hätten, dass man die Böden oder Möbel solange nicht wischen oder von Staub befreien kann (...) die unaufgeräumten Schubladen (...) die vollen Kisten, die schon so lange darauf warten sortiert zu werden, all die liegengebliebenen Aufgaben im Haushalt, die nicht erledigten Punkte an der Pinnwand…?

Manchmal sehe ich meine Wohnung & meinen Alltag und ich frage mich: wie machen die anderen das?

Und dann wünschte ich, sie würden mich einmal einladen- nicht in ihre schönen gemütlichen Häuser mit den hübschen Gärten und gepflanzten Blumen und Früchten, nicht an ihre Tische mit dem selbst gekochten Essen, nicht in die aufgeräumten Zimmer, in die Kinderzimmer voll kreativer Mütter-Kinderbastelein, selbstgenähter Kleidung und fröhlich gestrichenen Wänden.

Sondern in die Räume, die für Besuch meist geschlossen bleiben, die Berge von Wäsche oder unsortierten Kram enthalten, in die Küchen, die vom Leben und Essen der Kinder zeugen, in die Wohnungen in denen man bereits beim Hineingehen über Spielzeug oder Kinderbücher stolpert, in die Schlafzimmer wo im Bett die Kuscheltiere der Kinder liegen, weil es sich hier viel besser schlafen lässt...

Manchmal wünschte ich, die Mütter um mich würden mir nicht das Schöne, das gut Funktionierende, das Glückliche zeigen. Sondern sie würden mich ehrlicher teilhaben lassen, an ihren Sorgen, an ihren Nöten, vielleicht sogar an ihrer Ratlosigkeit & Traurigkeit, ihrem Gefühl der Ungenügsamkeit.

Ich wünsche, sie würden mich einladen in ihre unaufgeräumten Häuser und Seelen, in ihren unperfekten Erziehungsalltag. Sie würden mir erzählen, dass sie gestern Abend mit ihrem Lieblingsbuch in die Wanne gegangen sind, anstatt ihren Haushalt in Ordnung zu bringen. Sie würden mir erzählen, von dem Geschirrspüler, der jeden Tag voll ist und den auszuräumen sie oft keine Lust haben, von dem Gefühl es manchmal nicht zu schaffen, von den Tränen, die sie des nachts neben dem nicht schlafenden Kind weinen, von den lauten Wutausbrüchen, die nicht pädagogisch korrekt sind.

Ich wünsche, sie würden mich mehr einlassen in die Räume ihrer Häuser und Seelen, die sonst für andere Augen verschlossen bleiben, damit mein eigenes manchmaliges Scheitern erträglicher wird. Damit meine scheinbare Unzulänglichkeit an Normalität gewinnt und damit ich entdecke, dass es sie auch anderenorts gibt, die ungesehen Wäschezimmer...

Aber dann sollte auch ich beginnen, die Türen meiner Zimmer zu öffnen, unabhängig davon was mein Gegenüber von dem dahinter hält. Dann sollte auch ich aufhören für den Besuch aufzuräumen aus Angst vor der Reaktion des anderen. Dann lassen sich vielleicht auch andere Mütter einladen mit mir zu lachen und zu weinen und gemeinsam unsere Wäsche in Ordnung zu bringen.

Autorin: Maria Uebel


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