Serge Sulz (Psychotherapeut):

"Was wie Emanzipation aussieht, ist nur eine Umverteilung der Chancenungleichheit von der Mutter auf ihr Kind..."

Die Entwicklungspsychologie weiß darum, dass ein KITA-Aufenthalt ganztags vor dem Alter von 24 Monaten Ihrem Kind schadet. Mehr als drei Kleinkinder pro Erzieherin ist Vernachlässigung und Dauerstress, der die Entwicklung des Gehirns hemmt. Trotzdem stehen Mütter unter dem sozialen Druck der Politik, der Medien, der Arbeitgeber, der Kolleginnen und Freundinnen.

Sei doch nicht altmodisch, sei doch kein Muttchen, das ihre Kinder bebrütet wie ein Huhn die Lege-Eier." "Verzichte doch nicht auf Dein Einkommen, Deine Karriere, die Wertschätzung, den Kontakt, die Beziehungen mit Kolleginnen, auf alles was Dir wichtig ist und Dein Beruf Dir gibt."
"Du wirst sehen wie Dir das fehlt, wenn Du länger als ein halbes Jahr von all dem abgeschnitten bist und nur noch mit anderen Müttern Kontakt hast, mit immer den gleichen Baby-Themen."

"Und melde Dein Kind rechtzeitig an- am besten 3 bis 4 Monate vor der Geburt!" "Und diese Qualitätskriterien für KITAs sind ja völlig übertrieben. Die wollen, dass ein Kind mindestens eine Stunde am Tag eine Erzieherin ganz für sich hat. Und dass nicht mehr als drei Kleinkinder auf eine Erzieherin kommen." (mit Urlaub und Krankheitsausfällen sind es an vielen Tagen 15 Kinder je Erzieherin)
"Kinder brauchen andere Kinder." (Ja, aber nur ältere Geschwister. Sie können in diesem Alter von Gleichaltrigen noch nicht profitieren)

Das ist der Mainstream und kaum eine PsychologIn oder Kinderärztin/arzt wagt es, etwas gegen diesen zu sagen. Denn wer will schon (mit Worten) gesteinigt werden?

Oder sind die zwei bis drei Jahre, die ein Ehepaar das Kind für wichtiger halten als den Beruf, doch keine vergeudete Zeit?

Was sind schon zwei Jahre im Leben eines Menschen? Wie viel erfüllende Momente verschenkt eine Mutter und ein Vater, der in den Beruf flieht?

Für sie sind diese ersten Lebensjahre ihres Kindes zu schnell vorbei und unwiederbringlich verloren. Sie haben ihr Kind in diesem Alter gar nicht richtig kennengelernt (vor allem die Väter). Aber das ist nicht alles: Fehlender Aufbau einer sicheren Bindung zu den Eltern zwischen 8 und 24 Monaten führt zu einer geringeren Chance, dass das kindliche Gehirn die ihm genetisch mitgegebenen Begabungen entwickeln kann. Verbunden mit dem schlechteren Aufbau der Fähigkeit zur Impulshemmung zwischen 3 und 4 Jahren hat das Auswirkungen auf die Lebensqualität und die sozialen und beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten bis in das vierte Lebensjahrzehnt (Walter Mischel 2015). Also ein sehr hoher Preis!

Diese kurze und intensive Investition in die Entwicklung ihrer Kinder zahlt sich für das ganze Leben aus. Jegliche Vernachlässigung (und die meisten Ganztags-KITA-Aufenthalte in diesem frühen Alter entsprechen der Vernachlässigung) rächt sich später ebenso wie jegliche Stresshaltung nach einem anstrengenden Arbeitstag, an dem auch noch das Kind etwas will, wo doch keine Kraft mehr da ist.

Was wie eine Emanzipation der Frau aussieht (gleicher Zugang zu allen beruflichen Möglichkeiten wie der Mann), die den Männern und den Arbeitgebern abgerungen wird, ist in Wirklichkeit nur eine Umverteilung der Chancenungleichheit von der Mutter auf ihr Kind. Erst wenn der Gesellschaft und der Wirtschaft wirklich abgerungen wird, was eine Frau braucht, ohne dass sie es ihrem Kind nehmen muss, können wir von Emanzipation sprechen. Bis dahin ist es nur eine Fortsetzung der Ausbeutung von ArbeitnehmerInnen auf Kosten ihrer Familie.

Serge Sulz, Psychotherapeut

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