Antje Möller (Jahrgang 1971) ist verheiratet und Mutter von 4 Kindern. Sie hat eine eigene Praxis für therapeutische Seelsorge in Chemnitz und ist aktives Mitglied des Deutschen Familienverbandes. Wir haben sie zu ihren verschiedenen Aufgaben befragt...

Vereinbarkeit ist das aktuelle Familienschlagwort. Wie haben Sie als Familie „Vereinbarkeit“ gelebt, als Ihre Kinder klein waren und wie sieht es jetzt aus?

Die Aufgabe der Vereinbarkeit fiel in unserer Familie in die Zeit des Aufbaus nach der Wende, genauer in die Zeit ab 1993. Mein Mann war zu dieser Zeit in verschiedenen Einrichtungen des Gesundheitswesens beratend tätig. Seine Arbeit nahm deutlich mehr als 40 Stunden in der Woche in Anspruch und war mit einer umfassenden Reisetätigkeit verbunden. Über 7 Jahre lebten wir nur an den Wochenenden und im Urlaub als Familie zusammen. In der Woche übernahm ich die Erziehungs- und Betreuungsaufgabe allein, während sich mein Mann „mit freiem Rücken“ ganz seiner Arbeit widmen konnte, die ihm lag. Auch ich empfand die Erziehungs-und Betreuungsaufgabe als große Bereicherung für mein Leben. Ich liebte die Herausforderungen, mich immer neuen Themen der kindlichen Entwicklung zu widmen. Unsere Kinder besuchten im Kindergartenalter bis mittags den Kindergarten.

Jetzt leben wir immer noch dieses Modell. Mit dem Selbständig-Werden der Kinder begann ich ebenfalls mit meiner Beratungsarbeit, die ich in Teilzeit ausübe. Dabei wähle ich mir den Umfang auch angepasst an unsere familiäre Situation aus. 

Worauf haben Sie und Ihr Mann beim Nestbauen besonderen Wert gelegt? Was hat sich bewährt und was würden Sie heute anders machen?

Wir haben rückblickend auf Selbständigkeit Wert gelegt, wir wollten es gut machen und allein schaffen. Intuitiv haben wir Wert auf möglichst stressfreie Familienzeit gelegt.

Ich bin sehr dankbar für das Modell, für das wir uns entschieden haben. Es passte gut zu jedem von uns. Gemessen an der Entwicklung unserer Kinder fühlen wir uns bestätigt. Da es für mich mitunter recht anstrengend war und ich wenig Zeit für mich hatte, würde ich heute früher weitere Personen um Unterstützung bitten. So wären manche Überforderungssituation vermeidbar gewesen.

Was sind Ihre Aufgaben im Deutschen Familienverband? Was konnten Sie persönlich bisher für Familien erreichen?

Ich unterstütze meine Vorstandskolleginnen in den Aufgaben der Vereinsführung und unserem Anliegen, uns für die Belange von Familien stark zu machen. Wir sind im Gespräch mit Abgeordneten aller Parteien im Sächsischen Landtag, um unser Anliegen wie: Wahlfreiheit in der Kinderbetreuung, Rente für Eltern, Pflegeversicherung nach Kinderzahl und generell Bedürfnisse von Familien in unserer Zeit nahe zu bringen.

Der DFV ist als Team aufgestellt. So verstehen wir uns und unsere Arbeit auch. Persönlich erreichen möchte ich, dass die, die unser Anliegen mittragen, sich unterstützt wissen und das hoffe ich, nach meinen Kräften zu tun.

Was motiviert Sie zu dieser politischen Aufgabe? Wo erleben Sie Grenzen im Handlungsspielraum?

Ohne Familie ist kein Staat zu machen! Dennoch erfahren Familien nicht die Anerkennung, die ihnen gesellschaftlich zukommen sollte. Ich möchte dazu beitragen, dass die Bedeutung von Familie, in der Vertrauen gelernt, Verlässlichkeit erlebt und Verantwortung übernommen wird, stärker in den Blick der Gesellschaft kommt.

Grenzen erlebe ich dort, wo immer wieder über den Begriff von Familie diskutiert wird, anstatt darüber zu reden, was Familien, in welcher Konstellation auch immer sie zusammen leben, benötigen.

In Ihrer Praxis bieten Sie Therapie und Seelsorge für Einzelne, Paare und Familien an. Entdecken Sie Zusammenhänge zwischen unzureichender Bindung und Problemen, die im Kindes- Jugend- und Erwachsenenalter auftreten?

In meiner Beratungspraxis erlebe ich insbesondere in der Beratung von Paaren, welche Herausforderungen es darstellt, wenn beispielsweise eine unsicher-vermeidende Bindungserfahrung eine Rolle spielt. Diese ist allerdings nicht allein auf zu frühe Fremdbetreuung zurückzuführen, sondern kann auch durch emotionale oder psychische Beeinträchtigung der Bindungsperson auftreten, auch wenn diese physisch zur Verfügung stand.

Welches ist aus Ihrer Sicht die größte Herausforderung für Familien heute? Haben Sie Tipps?

„Alles hat seine Zeit“ – so steht es in den Sprüchen der Bibel. Heute scheint kaum noch etwas Zeit brauchen zu dürfen. Die Aufgaben, denen sich Familien heute stellen sind meist gut und wichtig. Es wird allerdings unnötig anstrengend, wenn versucht wird, diese Aufgaben alle gleichzeitig erfüllen zu müssen. Außerdem rege ich an, darüber nachzudenken, was jemandem wirklich wichtig ist und auf dieser Grundlage seine Entscheidungen zu treffen. Mitunter kommen sich Familien fremdbestimmt vor. Warum nicht einmal darüber nachdenken, wer die wesentlichen Entscheidungen aus welcher Motivation heraus trifft? Was brauchen wir und wann ist es genug?