Anja und Klaus haben 3 erwachsene Kinder und gemeinsam den Verein
Familien-Mutmach-Tag
gegründet.
Weil "Familie" quasi ihr Thema ist, haben wir ein bisschen nachgefragt...

Was macht euch im Blick auf Familien heute besonders betroffen?

Wir sehen viel Hilflosigkeit, Überforderung, allein gelassen sein mit seinen Fragen, Unsicherheit und Riesenansprüche von allen Seiten an die Familie (Beruf, Bildung, Kita, Schule, privat, Leistung…). Wir beobachten, wie zunehmend die Familie bzw. die Eltern entmündigt werden, indem immer mehr die „Experten“ die Erziehung übernehmen und den Eltern ihre Verantwortung „abtrainiert“ wird, sodass sie am Ende tatsächlich nicht wissen, wie sie ihre Zeit mit den Kindern gestalten können. Einige Ehen und Familien zerbrechen daran und die Leidtragenden sind sehr stark die Kinder. 

Was ist eure persönliche Vision beim FMT? Welche Aufgaben habt ihr beiden aktuell im Verein?

Wir glauben, dass ein erfülltes Familienleben möglich ist. Mit dieser Vision wollen wir Familien inspirieren und in ihnen eine Sehnsucht danach wecken. Vor allem möchten wir Familien motivieren, in die eigenen Familienbeziehungen zu investieren. Mit dem FMT bieten wir Einrichtungen, die in Kontakt mit Familien stehen, ein einfaches und effektives Konzept zu deren Förderung an. Wir wollen bis 2020 in jedem Bundesland mindestens 2 ausgebildete FMT-Trainer haben, die vor Ort Veranstalter zur Durchführung eines Familien-Mutmach-Tages coachen und begleiten.

Aufgaben von Klaus: 1. Vorsitzender und Geschäftsführer, Entwickler neuer Themen und Spiele, Trainer der Multiplikatoren, Umsetzer des Konzeptes mit neuen Zielgruppen, Schulung der Multiplikatoren, Organisator und Mann für´s große Ganze und kleinste Detail!

Anja ist im Vorstand, Ideengeberin, leistet praktische Beziehungsförderungsarbeit durch ihre Beratung, Kurse für Eltern, Seminare, Schulung der Multiplikatoren, Öffentlichkeitsarbeit (Newsletter und Freundesbrief)

Eure Kinder sind mittlerweile erwachsen. Wenn ihr zurückschaut- Was lief richtig gut bei euch/ Was würdet ihr heute anders machen?

Wir sind auf Grund unseres eigenen Familienhintergrundes in die Ehe und Familienphase eher verletzt und verwirrt “hineingestolpert” anstatt einen guten Start hinzulegen. Schnell machte sich durch unsere eigenen Defizite Überforderung breit und so haben wir wieder Verletzungen an unsere Kinder weitergegeben und mussten erst mühsam lernen, wie Beziehung und Familie gelingen können.

Heute sind aus unseren Defiziten teilweise Stärken geworden und auch unsere Kinder profitieren davon. Richtig gut waren unsere Spiel- und Familienzeiten, Ausflüge, Geburtstage und das tägliche “Gott mit in den Familienalltag hineinnehmen”. Im Rückblick wünscht man sich sicher manche Entscheidung in der konkreten Situation anders gefällt zu haben, aber wir leben nun mal vorwärts und sehen erst im Rückblick, ob es gelungen ist. Manche Grenzen sind einem ja auch wirtschaftlich gesetzt. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte ich gerne jedes Jahr einen schönen Familienurlaub gemacht. Das hätte uns allen geholfen und gut getan, war aber finanziell nicht drin.

Wie ist es euch gelungen, eure Ehebeziehung auch während der Kleinkindphase zu stärken? Gibt es Tipps?

Wir hatten keine Großeltern in der Nähe, die uns hätten entlasten können. So haben wir Freunde und Babysitter engagiert, um ab und zu mal als Paar raus zu kommen. Wir sind beste Freunde geblieben und haben ab und zu mal zu zweit einen Spieleabend gemacht und wenn es möglich war, uns ein Eheseminar oder ein Wochenende zu Zweit als Kurzurlaub geschenkt. Die gemeinsame Mitarbeit bei Team.F hat uns auch selber gut getan und herausgefordert!

Als Tipp für die heutigen jungen Paare: Schaut, wo ihr versucht zu hohe Ansprüche von außen oder von euch selber zu erfüllen, dass ihr die runterschraubt und gute Beziehungsprioritäten setzt. Fragt euch, was ist euch wichtig, was die Kinder nach 20 Jahren gelernt haben sollen. Und bleibt ein Paar, pflegt eure Beziehung, denn die Kinder sind Gäste und verlassen das Nest, wenn ihr dann noch zusammen seid, wäre das wünschenswert! Habt Mut zur „Lücke“ und sorgt gut für euch! 

Anja, du bist mit dem Nestbau-Anliegen in besonderer Weise verbunden. Warum sollten Eltern aus deiner Sicht in die Bindung zu ihrem Kind investieren?

In meiner Beratungspraxis arbeite ich immer mal wieder mit Erwachsenen, die mit Folgeproblemen, wie Depressionen, Ängsten, Unsicherheiten, Beziehungsschwierigkeiten kämpfen, aus der Ursache, dass sie zu früh in eine Fremdbetreuung gegeben wurden oder eine Zeit lang allein als Kleinkind im Krankenhaus lagen. Durch solche Ereignisse kann die sichere Bindung zu den Eltern nachhaltig gestört und verletzt werden. Das kleine Kind entwickelt zwar in der Akutsituation hilfreiche Überlebensmuster, die aber im Erwachsenenalter zunehmend problematisch werden.

Da sind große „Löcher“ in der Entwicklung entstanden, die wehtun und in der Beratung erarbeiten wir dann Wege, das zu betrauern und neu bindungsfähig zu werden. Mir ist es ein Anliegen, dass das heute Kindern erspart bleibt und Eltern befähigt werden, eine gute, sichere Bindung zu ihrem Kind aufzubauen, was die beste Entwicklungs- und Bildungsgrundlage ist. Daher schätze ich die Nestbau e.V.- Arbeit auch so sehr, weil es präventiv ermutigend ist!

Gendermainstreaming stiftet viel Verwirrung unter den Geschlechtern. Klaus, wie würdest du die Väter-Aufgaben beim „Nestbau“ beschreiben?

Matthias Stiehler, Autor des Buches “Väterlos”, sagte in einem Vortrag etwas provokant: “Die Väter von heute sind Mütter ohne Brüste!” Es ist toll, dass mehr Väter bewußt Elternzeit nehmen, aber es ist nicht damit getan, dass moderne Väter für 3 Monate alle Aufgaben der Mütter übernehmen!

Väter müssen ihre ganz spezielle Rolle und Selbstverständnis in der Erziehung der Kinder finden und das über einen Zeitraum von über 20 Jahren. Denn mindestens so lange braucht ein Kind väterliche Begleitung. Das ist jedoch viel mehr, als sich eine idealisierte Kernfamilie der 60er Jahre wieder herbeizusehnen.

Es geht darum Väterlichkeit und Mütterlichkeit in seiner Bedeutung für das Kind zu verstehen. Dann können Eltern dies entsprechend ihrer individuellen Persönlichkeitsstruktur umsetzen und sich darin ergänzen, ohne sich in ein Rollenklischee verbiegen zu müssen. Wenn in einer Einelternfamilie kein Papa da ist, dann kann es für das Kind eine Chance sein, wenn Beziehung zu männlichen Freunden der Familie von der Mama mit aufgebaut und gestaltet wird. Es geht um die Präsenz von Väterlichkeit und darunter verstehe ich unter anderem: Andersartigkeit präsentieren und vermitteln, Eigenständigkeit vermitteln, die Welt erklären, die Lebensrealität und deren Konsequenz vermitteln, Begrenzungen und Selbstbeherrschung (heute sagt man Selbststeuerung) zumuten.... Ich finde: Kinder brauchen Väter um zu reifen und Väter reifen an ihren Kindern.

Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt, uns Rede und Antwort zu stehen. Wir wünschen euch weiterhin viel Kraft und Herzblut für Familien!

Anja steht außerdem für Beratung im Bereich Persönlichkeitsentwicklung zur Verfügung mehr Infos