Wie baut sich Bindung eigentlich auf?

Gordon Neufeld beschreibt 6 Etappen, die ein Kind auf dem Weg zu einer sicheren Bindung durchläuft. Stufenartig erklimmt es auf verschiende Arten Etappe für Etappe, um mehr und mehr Zutrauen zu seiner Bezugsperson zu gewinnen und die "Ver- bindung" damit zu festigen. Sobald eine Stufe sicher erreicht wurde, kann die nächste hinzukommen. Ohne Störungen oder Unterbrechungen des Bindungsaufbaus verfügt das Kind in etwa mit 6 Jahren über eine stabile und vertraute Beziehung zu seiner Bindungsperson und kann somit auf einem guten Fundament psychischer und emotionaler Reife in die Schulzeit starten.

Die 6 Bindungsarten nach Gordon Neufeld:

  1. Bindung über die Sinne
    Ziel dieser Bindung ist  körperliche Nähe. Das Kind muss seine Bindungsperson sinnlich wahrnehmen können: es erkennt die vertraute Stimme der Eltern, beim Stillen kann es die Mama schmecken, riechen, sehen und ihre Haut fühlen. Das Baby protestiert, wenn der Körperkontakt abbricht, denn die physische Nähe ist ihm jetzt ganz wichtig.
  2. Bindung durch Gleichheit
    Das Kind versucht, so zu sein wie seine engsten Bezugspersonen und durch Nachahmung und Nacheifern deren Art und Ausdrucksweise anzunehmen.
  3. Bindung durch Zugehörigkeit und Loyalität
    Das Kind stellt Besitzansprüche an die Eltern. Es möchte sich vor dem Verlust dieser für ihn wichtigen Personen schützen. Aus Zugehörigkeit entsteht Loyalität. Das Kind wird treu und folgsam  zu seinen vertrauten Bezugspersonen stehen, ihnen folgen.
  4. Bindung durch Bedeutsamkeit
    Die 4. Art nach Verbindung zu streben, ist die Suche nach dem Gefühl, jemandem wichtig zu sein und das Bemühen, (an)erkannt zu werden und zu gefallen. Das Kind möchte so angenommen und wertgeschätzt werden wie es ist. Es ist höchst empfänglich für negative Äußerungen und abwertende Blicke. Es möchte seiner Bezugsperson etwas bedeuten und sucht deren Ermutigung und Bestätigung.
  5. Bindung durch Gefühl
    Das Kind nimmt Gefühle von Zuneigung, Liebe und Wärme wahr und behält sie als eine Art „inneren Schatz“ für sich. In Zeiten des physischen Getrenntseins von den Eltern greift es auf diesen Schatz zurück und bleibt trotz Entfernung innerlich mit Mama und Papa verbunden. Ein Kind schenkt seinen Eltern in dieser Bindungsstufe sein Herz und ist somit äußerst verletzlich. Kinder, die sich an ihren Eltern orientieren und an sie binden, sind emotional offen und lassen Nähe zu.
  6. Bindung durch Vertrautheit
    Die sechste Art, sich zu binden besteht darin, dass man mit seiner Bezugsperson vertraut wird. Ein Kind fühlt sich seinen Eltern vertraut und nahe, wenn es so akzeptiert und wertgeschätzt wird, wie es ist. Kinder,  die sich an ihren Eltern orientieren, haben sehr ungern Geheimnisse vor ihnen,  weil sie die Befürchtung haben, dass sie dadurch die Nähe zu ihnen verlieren.

3 Jahre Elternzeit haben ihre Berechtigung:

Wie wir anhand der Bindungsarten sehen, braucht das Kind in den ersten 3-4 Lebensjahren eine konstante Bezugsperson, die da ist: sowohl das Bindungsbedürfniss über die Sinne (körperliche Nähe), als auch der Nachahmung und Zugehörigkeit machen eine persönliche Präsenz der Bindungsperson erforderlich.

Mehr noch: ein nur Da-sein reicht nicht aus. Das Kind braucht die unmittelbare Aufmerksamkeit und Zuwendung seines Gegenübers, um in seiner Einzigartigkeit und besonderen Bedürftigkeit wahrgenommen zu werden.

Woran erkenne ich, ob mein Kind sicher gebunden ist?

Jede Bindungsbeziehung kann verschieden intensiv ausgeprägt sein. Maßgeblich dafür sind die Präsenz der Bezugsperson und deren Feinfühligkeit dem Kind gegenüber, sowie die Anzahl der beteiligten Bindungspersonen. Je mehr Bindungen ein Kind eingeht, umso loser sind sie jeweils und umso weniger Halt, Sicherheit und Orientierung bieten sie ihm folglich. Ein Kind kann nie selbst für seine Bindung sorgen, sondern ist immer von der Verfügbarkeit und Hingabe der Erwachsenen abhängig. 

Die Ausprägung der Bindung wird anhand dieser 4 Typen beschrieben:

Merkmale einer stabilen Bindung anhand der kindlichen Entwicklung:

Anzeichen einer intensiven Bindungsbeziehung zwischen Kind & Bezugsperson sind u.a. kindlicher Gehorsam, emotionale und körperliche Nähe, Selbstwertgefühl, Empathievermögen, Interesse und Eifer am Lernen, Mitteilungsbedürfnis, Vertrautheit, gegenseitiges Interesse an Gemeinschaft miteinander, Ausgeglichenheit, Kreativität, innere Ruhe. 

Weiterlesen: Bindungslücken