Kinder in ihrer empfindsamsten und bedürftigsten Lebenszeit begleiten...

Etwa zwei Jahre habe ich in einem beliebten Chemnitzer Kindergarten in der Kleinkindgruppe gearbeitet. Ab dem ersten Geburtstag können Kinder dort betreut werden. Bei einer Gruppengröße von 12-14 Kindern, 1 und 2 Jahre alt, haben wir uns zu zweit durch den Tag gekämpft.

Der Versuch, die Bedürfnisse jedes Kindes zu bemerken und auch noch zu erfüllen, hat uns angetrieben, aber täglich frustriert und erschöpft nach Hause gehen lassen. Haben Sie schon mal 12 Kinder in diesem Alter innerhalb von 20 Minuten mit Mittagessen versorgt? Dann allen gleichzeitig die verschmierten Hände und Gesichter gewaschen und sie mit frischen Windeln für den Mittagsschlaf ausgestattet? Dazwischen natürlich noch erste Versuche auf dem Töpfchen angebahnt und entsprechende Erfolge gewürdigt. Das alles in 10 bis 15 Minuten. Die zweite Kollegin stellt inzwischen wieder Ordnung im Zimmer her, wo Reiskörner, Grießbrei oder ähnliches großzügig verteilt wurden, räumt das Mittagessen weg. Und nebenbei nimmt sie die gewaschenen Kinder in Empfang und zieht sie zum Mittagsschlaf um. Dann ab ins Bettchen - da liegen die Kinder und wollen alle gleichzeitig beim Einschlafen begleitet werden, vom lauten Brabbeln und herumklettern abgehalten (denn das stört ja die anderen) und liebevoll getröstet, denn die Mama ist ja nicht da und fehlt jetzt besonders.

Oder haben Sie schon mal 12-14 Kinder innerhalb einer Viertelstunde in Schneeanzug, Stiefel, Mütze, Schal und Handschuhe gehüllt? Während man den Dritten anzieht, hat sich der Erste wieder ausgezogen und der wartende Fünfte seinen Nachbarn gebissen oder seine Handschuhe hinter die Heizung geworfen.

Der Wunsch, die Kinder geduldig, liebevoll, selbständigkeitsfördernd und wertschätzend durch den Tag zu begleiten ist Maxime in der Krippe, in der Realität aber schlichtweg Utopie. Erst recht bei den in Sachsen geltenden Personalschlüsseln.

Oft werden junge Familien auch zur Krippenbetreuung verführt mit dem Argument, dass ihr Kleines dort "bessere Bildungsangebote" erhält und sein Sozialverhalten entwickelt. Das halte ich für Hohn. Der Weg, auf dem Kinder in den ersten Lebensjahren Neues Lernen, geht über den direkten Kontakt zur Bindungsperson. Lieder, Fingerspiele, Bilderbücher, erstes Nachahmen, Matschen mit Fingerfarben, Barfußlaufen im Gras und und und - das kann jede Mama mit ihrem kleinen Kind tausendmal intensiver erleben und umsetzen, als eine Erzieherin in der Kinderkrippe, die in der Hektik des Tages und des enormen Betreuungs- und Pflegeaufwandes mit mehreren Kleinkindern noch ein "Bildungangebot" durchführen soll.

Im Bereich Sozialverhalten fand ich bestätigt, was verschiedene Studien, die auf dieser Internetseite benannt sind, herausarbeiteten: ein- und zweijährige Kinder, die in größeren Gruppen zusammensein müssen, über viele Stunden des Tages hinweg, neigen zu aggressiven Reaktionen - Beißen, Zwicken, mit Spielzeug hauen, Schubsen sind an der Tagesordnung. Und das ist oft auch verständlich - die Meisten verfügen noch nicht über die sprachlichen Fähigkeiten, ihre Gefühle und Bedürfnisse angemessen auszudrücken. Ihre Bedürfnisse zurückstellen, z.B. ein Spielzeug hergeben, abwarten, lernen sie erst mit der Zeit. Ein Erwachsener, der ihre nonverbalen Mitteilungen (z.B. Gesichtsausdruck, Augenreiben etc.) sofort bemerkt und angemessen reagiert und vermittelt, ist nur bedingt verfügbar.

Der Tagesablauf einer Kindertagesstätte ist relativ straff strukturiert; da kann nicht auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen nach Schlaf, Ruhe, verlängerter Spielzeit, viel Bewegung u.ä. eingegangen werden. Viel zu oft müssen die Kinder einfach mitlaufen und funktionieren. Frustration und auch Resignation wachsen so schon in den ganz Kleinen und schaffen sich Raum. Die Kinder erleben, dass sie ihre Bedürfnisse allein und oft rücksichtslos durchsetzen müssen, wollen sie nicht im Getriebe untergehen. Die später beobachtete Aggression(sbereitschaft) ist also durchaus verständlich.

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