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Kind und Karriere? Ich bleibe lieber zu Hause.

Auf die Henri-Nannen-Journalistenschule zu kommen war mein großer Traum. Das habe ich geschafft und danach als Redakteurin gearbeitet. Aber den letzten Text habe ich vor acht Jahren geschrieben. Weil ich Kinder bekommen habe und seitdem zu Hause bin. Das war so nicht geplant. Ich dachte, ich mache es wie die anderen und fange nach einem Jahr Pause wieder an zu arbeiten. Teilzeit. Mit dem Baby schaute ich mir Kinderkrippen an. Ich sah diese kleinen Menschen, die nicht sprechen, nicht laufen konnten, und wusste gleich: Da mache ich nicht mit. Ich möchte kein superkleines Kind im Morgengrauen in die Kita bringen, weiterrasen zur U-Bahn, zur Arbeit, dann ein müdes Mädchen abholen, mit ihm einkaufen gehen, Wäsche waschen . . . Dieses Leben im Ultrabeschleuniger will ich nicht. Nicht für mich und auch nicht für meine beiden Töchter. Ich hatte einen ganz tollen Job, ich hätte ihn gern behalten; aber es wäre ein Leben geworden, das mir nicht behagt. Unmodern?

Nun: So wahnsinnig emanzipiert ist der Alltag als Teilzeit-Mutter auch nicht unbedingt. Emanzipation heißt für mich, sich als Eltern, als Mann und Frau, alles zu teilen: Arbeitsstunden, Kinderstunden, Haushaltsstunden. Karriere. Die Idee ist schön, aber die Arbeitswelt noch nicht bereit. Fast immer muss einer arbeiten – bis spätabends (Vollzeit bis 17 Uhr, das wär’s!). Und am anderen hängt der ganze Rest. Kinder-Großziehen ist ein Marathon, Eltern müssen sich ihre Kraft gut einteilen. Und das schaffen wir in meiner Familie am besten, wenn nur einer arbeitet. Was nicht heißt, dass nur ich mit dem Fieberthermometer herumrenne, nur ich den Hirsebrei rühre und nur ich den Glitzerschokokuchen backe.
Trotzdem denke ich, dass es meine Eltern einfacher hatten: Ich bin in den Siebzigern geboren. Meine Mutter ist Apothekerin und richtete ihre Arbeitszeiten nach uns Kindern, nicht umgekehrt. Das hat auch keiner von ihr erwartet. Um eins war sie immer zu Hause. Dort gab es Mittagessen, dann Hausaufgaben und Holunderblütenmatsche.

30 Jahre später bin auch ich um eins zu Hause und koche. Wie herrlich altmodisch! Alles wie früher. Nur dass ich im Gegensatz zu meiner Mutter gar nicht arbeite, weil mich mit 15 Stunden pro Woche keiner will. Und noch etwas ist anders: Meine Töchter sind nachmittags die einzigen Kinder im Hof. Wie die ganz alten Menschen verschwinden auch die ganz jungen aus dem Stadtbild. Sie sind immer betreut. Die Alten im Heim, die Jungen im Kindergarten und in der Schule. Wohin führt dieser Weg? Dass wir irgendwann mit unbequemen Schreihälsen und Bettflüchtern gar nicht mehr umgehen können? Hauptsache, untergebracht und bespaßt? Kinder brauchen auch Leerlauf und Langeweile. Ein Gefühl, aus dem sie Kraft und Ideen schöpfen. Ich liebe dieses Gewurstel in den Kinderzimmern: Fünfmal hintereinander dasselbe Buch angucken, fünfmal hintereinander denselben Pfosten runterspringen, fünfmal hintereinander denselben Satz sagen – das ist das Privileg der Kindheit. Luxus, den sich viele Familien heute nicht mehr leisten können, ich weiß, wie gut wir es da haben.
Welche Generation Menschen der Total-Betreuungswahn hervorbringt, wissen wir erst in ein paar Jahren. Eins aber ist schon heute klar: Zu einer höheren Geburtenrate führt das neue Familienleben nicht. Das Gerase macht auch wirklich keine Lust aufs Kinderkriegen. Meine jüngeren Geschwister haben bisher keinen Nachwuchs. Und wenn Frauen jetzt noch beides wollen, Job und Kind, wollen sie morgen vielleicht nur noch den Job. Ich habe mich gegen dieses Gerase entschieden, das Frauen wie Facebook-Chefin Sheryl Sandberg fordern: Mütter hängt euch rein im Job, zieht euch nicht ins familiäre Leben zurück. Ich habe mich dagegen entschieden, diesem Druck halte ich stand. Ich bin zu Hause, aber nicht aus der Welt.

Dieser Erfahrungsbericht ist Mom Brigitte entnommen, Quelle: http://mom.brigitte.de/mitfuehlen/kind-zu-hause-1176238/

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